1835 – 1849: Hausbau, Geldnöte und Familiengründung

Die Geschichte des Hauses Am Leuchtturm 4 geht zurück in das Frühjahr 1835, eine hoffnungsvolle Zeit: Mit der gerade erfolgten Gründung des deutschen Zollvereins erstarkt die wirtschaftliche Einheit Deutschlands. In Berlin regiert zu dieser Zeit König Friedrich Wilhelm III., im gleichen Jahr wird zwischen Nürnberg und Fürth die erste deutsche Dampfeisenbahn in Betrieb genommen. Im Warnemünder Hausbuch über das „IV. Quartier No. 62“ findet sich folgender Eintrag vom 4. April 1835:

Der Warnemünder Bürger Hans Heinrich Berg hat auf einem vom Gewette verkauften Hausstalls zu Warnemünde im IV. Qu. Nr. 62 eine Wohnbude neu erbaut [...]

„Warnemünde – Am Leuchtturm“- Kolorierte Ansicht von 1905.
Quelle: Privatsammlung A. Mehrländer (Berlin).


Besagter Warnemünder Lotse Hans Heinrich Berg stammte ursprünglich aus dem pommerschen Ahrendshagen und war der jüngere von zwei Söhnen des Schusters und Seemanns Johann Christoph Berg und der Margarethe Maria Dahm.

Als Seemann gelangte Hans H. Berg nach Warnemünde, erwarb das Bürgerrecht und ehelichte im Alter von 25 Jahren am 10. Januar 1834 die gleichaltrige Warnemünder Bürgerstochter Marie Catharina Sophia Holtz. Nach Rostocker Recht wurde man zu jener Zeit erst mit 25 Jahren volljährig – Heiraten fanden immer im Winter statt, wenn die Seeleute für längere Zeit zuhause waren.

Die Familie Holtz (auch „Holst“ geschrieben) war nachweislich schon vor 1776 in Warnemünde wohnhaft und der Seefahrerei verschrieben – die Holtz’schen Seefahrer erlebten mit, wie Admiral Nelson vor Warnemünde lag; mütterlicherseits entstammte die Braut der Warnemünde Zimmermannsfamilie Jochim Günther.

Mit dem Jahr 1802 war die Zahl der Warnemünder Lotsen ursprünglich auf 24 festgesetzt worden; tatsächlich gab es jedoch immer mehr – etwa 60 bis 70 Lotsen, denn es herrschte Lotsenzwang: Um 1840 liefen alljährlich fast 800 Schiffe durch den Strom von und nach Rostock und mussten beim Ein- und Ausfahren von Lotsen geleitet werden.

Schon am 18. November 1834 schenkte das Schicksal dem jungen Lotsenpaar Berg einen Stammhalter: Der kleine Hans Heinrich Jacob Johann Berg war denn auch der Grund für den Vater, ein eigenes Haus zu bauen. Der Arbeitstag betrug für Hans H. Berg oft 16 Stunden oder mehr – Kinderarbeit wurde erst 1839 staatlich reguliert. Warnemünde erhielt zu jener Zeit je eine Badeanstalt für Damen und Herren am Strande – im Sommer 1834 nahm der Dampfer „Rostock-Packet“ den regelmäßigen Fahrdienst zwischen Rostock und Warnemünde auf; auf die 1.500 Warnemünder kamen so 1.000 Sommergäste.

Hans H. Berg musste sich seinerzeit das Geld zum Bau borgen: 300 Mark lieh er sich vom Rostocker Makler Padderatz, die er mit jeweils 4% Zinsen in halbjährigen Raten zu tilgen hatte und am 10. März 1849 abbezahlen konnte. Weitere 350 Mark erhielt er von den Rostocker Kaufleuten Haase & Paepcke, denen er ebenfalls in halbjährigen Raten zu 4,5% Zinsen Rückzahlungen zu leisten hatte. Letztere beglich er am 22. Februar 1844.

Der Familienvater nahm in der Folgezeit- wohl auch wegen der wachsenden Kinderschar - immer wieder Schulden auf das Haus auf, so am 10. März 1849, als er von Kapitän Johann Friedrich Fraedland 350 Mark lieh, um endlich den Makler zu bezahlen. Fraedland, der 22 Jahre (1822-1844) die Rostocker Galeasse Vandalia (72 Lasten) befehligt hatte, kommandierte von 1846 bis 1853 die Rostocker Brigg Jason (114 Lasten) und fuhr für die Reederei C. F. Koch & Sohn, Rostock. Erst 16 Jahre später, 1865, hatte er gegenüber Fraedland seine Schulden beglichen. Oder z. B. eine erneute Hypothek vom 4. November 1851, als Berg sich „100 Thaler Courant“ vom Bürger Johann Joch. Evers lieh - die er am 10. März 1857 abzahlen konnte. Zahlreiche Beleihungen sollten noch folgen.

Insgesamt wurden dem Ehepaar Berg in seinem Haus „Am Leuchtturm 4“ sieben Kinder geboren, darunter zwei Zwillingsgeburten: 1841 zwei totgeborene Mädchen und 1842 erneut Zwillinge, die Brüder Franz und Nicolaus. Das Erwachsenenalter erreichten die Söhne Heinrich (*1834), Wilhelm (*1837), Franz (*1842) und das Nesthäkchen Anna, welches am 5. September 1849 zur Welt kam und auf die Namen „Anna Catharina Elisa Sophie“ getauft wurde.

Text und Recherche: Dr. Andrea Mehrländer (© 2015); die Auskünfte zu Schiffer J. F. Fraedland stammen von K. Michaelis, Lotsenbrüderschaft Wismar/Rostock/Stralsund (© 2012)